Nachfolgend teilen wir einen offenen Brief mit euch, den eine Gruppe von Deutzer Eltern und Anwohner:innen an Bezirksbürgermeister Andreas Hupke verfasst hat:
Offener Brief Beteiligung Deutzer Freiheit • 25.05.2023
Sehr geehrter Bezirksbürgermeister Andreas Hupke,
seit Juni 2022 findet der Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit statt, bei dem öffentlicher Raum wieder gerechter aufgeteilt wird. Anwohner:innen haben die demokratischen Möglichkeiten genutzt, um einen politischen Prozess in Gang zu setzen, der seit Beginn großen Rückhalt im Veedel und bei der Mehrheit der gewählten politischen Vertretungen genießt. Die Umfrage der Uni Bochum hat eine breite Zustimmung zum Projekt ermittelt. Diese Zustimmung schlägt sich auch in den jüngsten Rückmeldungen der letzten Tage nieder, die Anwohner:innen und Nutzer:innen der Deutzer Freiheit auf der Webseite der Bürgerinitiative Deutzer (Auto-)Freiheit äußern können (https://deutzautofrei.de/statement/#statements).
Wir als Düxer Eltern und Anwohner:innen befürworten das Vorhaben in hohem Maße, sehen aber auch, dass unsere Stimme im politischen Prozess marginalisiert wird. Wir nehmen wahr, dass einige durch lautstarkes öffentliches Auftreten versuchen, diesen Prozess zu diskreditieren. Wir haben nicht die finanziellen, zeitlichen und persönlichen Ressourcen der Gegner:innen und erhoffen uns über diesen Offenen Brief eine Wahrnehmung im politischen Diskurs.
Wir begrüßen die Austauschformate, die die Stadt Köln zum Vorhaben bereitstellt (wie das letzte Veedelsbeiratstreffen im Bürgerzentrum). Uns ist bewusst, dass beteiligungsorientierte Stadtentwicklung viele Hürden mit sich bringt und selbstverständlich zu Konflikten führen kann, insbesondere wenn es sich um Themen der sozialen und ökologischen Transformation handelt. Beteiligungs- und nachhaltigkeitsorientierte Stadtentwicklung bedeutet nicht, dass alle mit dem Ergebnis glücklich sein müssen. Wir sehen die Bereitschaft von Stadtverwaltung, Bezirksvertretung und Bürgerinitiativen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Zugleich sehen wir Probleme bei der Berücksichtigung verschiedener Stimmen, darunter unsere.
Als Eltern und Menschen, die in Care-Arbeit eingebunden sind, haben wir oft nicht die Kapazitäten, unsere Pflichten zuhause zurückzustellen, um an diesen Austausch- und Informationsveranstaltungen teilzunehmen. Eine Teilnahme an einer solchen Veranstaltung erfordert immer viel Umorganisation und Kompromissfindung, die nicht selten auch an unvorhergesehenen kleineren und größeren Notfällen scheitert. Zunehmend können wir aber auch keinen Mehrwert mehr in den öffentlichen Austauschformaten erkennen, was auch mit der Art und Weise zu tun hat, wie diese Veranstaltungen von einigen Teilnehmer:innen instrumentalisiert werden.
In den sozialen Netzwerken, in der Boulevardpresse und bei öffentlichen Veranstaltungen zur Deutzer Autofreiheit beobachten wir lautstarke und aggressiv vorgetragene Beiträge, die den Diskurs zu vergiften versuchen und dabei zusätzlich die berechtigten Interessen des Einzelhandels diskreditieren. Redebeiträge von unterstützenden Stimmen des Verkehrsversuchs werden bei öffentlichen Veranstaltungen niedergebrüllt, ausgebuht, lautstark verhöhnt oder sogar mit Schimpfworten kommentiert. Ankündigungen für gemeinschaftlich orientierte Angebote auf der Deutzer Freiheit wie ein Open-Air-Kino oder auch Spielangebote für Kinder etc. werden mit Häme und vor allem Anfeindungen beantwortet, anstatt sich darüber zu freuen, dass es diese Angebote gibt. Daran beteiligt sind nach unseren Beobachtungen nicht nur vereinzelte Bürger:innen, sondern auch Vertretungen des Einzelhandels sowie politische Vertretungen, die dem Verkehrsversuch ablehnend gegenüberstehen. Wir machen uns ernsthafte Sorgen um das Zusammenleben im Veedel.
Die Art und Weise des Diskurses schüchtert uns ein. Viele von uns wohnen den Austauschformaten aus Angst vor den Anfeindungen und Angriffen schon länger nicht mehr bei. Es ist leider kein Geheimnis, dass Menschen, die sich für die Fußgängerzone einsetzen, anonym Gewalt angedroht oder auf offener Straße beleidigt wurden. Wir sorgen uns als ‚einfache‘ Anwohner:innen in diesem Klima auch um unsere und die Sicherheit unserer Familien. Wir fühlen uns vom politischen Diskurs ausgeschlossen.
Daher möchten wir über diesen Offenen Brief unsere Standpunkte an die Bezirksvertretung übermitteln und darauf hinweisen, dass die Lautesten und Aggressivsten im Prozess mitnichten die Mehrheit sind.
Der Verkehrsversuch ist in unseren Augen ein wichtiger Teil der städtischen Klimastrategie Kölns. Er adressiert zudem die tagtägliche Behinderung der Bewegungsfreiheit und die Bedrohung der Sicherheit von Kindern, älteren und behinderten Menschen. Er trägt außerdem dem Umstand Rechnung, dass Menschen in den Städten seit Jahrzehnten zunehmend gesundheitlichen Risiken durch Schadstoffe und Feinstaub ausgesetzt sind. Die Deutzer Freiheit nehmen wir dank des Verkehrsversuchs mittlerweile nicht mehr als Durchgangsort wahr, sondern eher positiv als einen Aufenthaltsort und Ort der Begegnung. Zusätzlich dazu laden die Stadtmöbel zum Verweilen ein. Wir nutzen die Deutzer Freiheit nun sehr viel stärker und verbringen fast täglich Zeit dort, was auch den ansässigen Geschäften und Gastronomiebetrieben zugute kommt.
Wir hoffen, dass Sie unsere Appelle ernst nehmen und berücksichtigen. Es ist wichtig, den Mehrheitsanspruch der lautstarken Gegner:innen zu hinterfragen und die breite Zustimmung zum Verkehrsversuch zu berücksichtigen!
Wir bitten Sie und die Bezirksvertretung, den Verkehrsversuch weiter zu optimieren und die Deutzer Freiheit dauerhaft zur Fußgängerzone mit „Fahrräder frei“ umzuwidmen. Dies würde nicht nur die Bewegungsfreiheit verbessern, sondern auch den Klimaschutz und die Sicherheit von Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen fördern.
Des Weiteren appellieren wir an Sie, eine repräsentative und differenzierte Umfrage zur tatsächlichen Nutzung und Verbesserung der Deutzer Freiheit zu ermöglichen. Eine solche Umfrage würde helfen, verschiedene Stimmen und Bedürfnisse angemessen zu berücksichtigen und den politischen Diskurs auf eine breitere Basis zu stellen.
Wir hoffen, dass unsere Appelle nicht von der dröhnenden Wut der Gegner:innen übertönt werden. Wir sind weiterhin bereit, im demokratischen Diskurs die Standpunkte aller Seiten zu berücksichtigen. Wir bitten Sie, unsere Anliegen ernsthaft zu prüfen und die Deutzer Freiheit zu einem lebenswerten und nachhaltigen Ort für alle zu machen.
Stellvertretend für viele Deutzer Eltern & Anwohner:innen
Christopher Horne
Marcus Seidel
Frank Heuser
Martin Wisniowski
Matthias Kurth
Katharina Schmitz
Thomas Schmitz
Inga Baumgärtel
Sophie Guntram
Christian Austermann
Sabrina Rothkirch
Julia Schiffer
Tamara Bertran
Marc Bosserhoff
Ann-Kristina Langner
Fabian Sandelmann
Inga Ackermann
Miriam Neumann
Maya Drees
Holger Drees
Lisa Daniels
Martin Daniels
Nina Walkenhorst
Kim Lara Mair
Lukas Mair
Maximilian Schroeders
Ruth Ersfeld
Michael Bothur
Anna Küskens
Marko Bodenstein
Sara Yussefi Marzi
Mario Frank
Elena Lohmann
Rike Freeman
Philipp Maihöfer